„Unschuldig hinter Gittern
Weggesperrt und abgehakt“

ZDFinfo strahlte am 05.12.2025 erneut die Dokumentation „Unschuldig hinter Gittern“ (2015) aus. Darin geht es um Menschen, die unschuldig wegen schwerer Straftaten verurteilt und weggesperrt wurden.
Auf den ersten Blick hat das mit Zivilrecht und einer Eigenbedarfskündigung nicht viel zu tun, aber die aufgezeigten grundsätzlichen Problematiken in unserem Rechtssystem, dass es anfällig für Willkür, Ignoranz, schlampige Ermittlungen, einseitige Parteinahme, Überforderung, Zeitdruck und einen eklatanten Mangel an Selbstkritik ist (schließlich steht man ja mit Gott fast auf einer Stufe) kann man praktisch 1:1 auf alle anderen Bereiche übertragen. Einiges von dem was in der Sendung thematisiert wurde erlebe ich im wahrsten Wortsinn fast buchstäblich nun schon permanent seit ca. 5 Jahren.
Wer sich über Jahre mit dem deutschen Rechtssystem auseinander setzen musste, erkennt sofort, dass es in der Doku nicht nur speziell um Strafrecht geht. Es geht auch um gefährliche Automatismen, um persönliche Haltungen bzw. Präferenzen und um ein System, das in großen Teilen erschreckend ähnlich funktioniert – egal ob Straf-, Zivil- oder Verwaltungsverfahren.
Gut, ich sitze zwar noch nicht im Gefängnis, aber manchmal – insbesondere wenn mal wieder ein gelber oder grauer Briefumschlag im Briefkasten gelandet ist – fühlt es sich schon so an, als säße ich bereits unschuldig dort:
- du weißt, dass die ganze Geschichte von vorn bis hinten erstunken und erlogen ist,
- du weißt, dass die Gerichte den eigentlichen „Täter“ schützen,
- du weißt, dass es einen Bedarf der Tochter an meiner umstrittenen Wohnung nie gegeben hat,
- du weißt, dass das Meiste, was dazu von ihrem Vater und seinem Anwalt vorgetragen wurde, frei erfunden ist,
- du weißt, dass diese Eigenbedarfs-Kündigung mehr schlecht als recht konstruiert ist,
- du kannst das sogar beweisen oder zumindest schwer erschüttern,
- jeder, der noch einigermaßen klaren Verstandes ist, kann sehen, was hier gespielt wird,
- du weißt, dass es Gesetze gibt, die Mieter eigentlich vor solchen willkürlich konstruierten Kündigungen schützen sollen,
- eine ohnmächtige Wut kocht regelmäßig in dir hoch, wenn man den Unsinn liest, der da wieder und wieder von studierten Leuten zu Papier gebracht wird,

und dennoch interessiert das alles bei Gericht niemanden. Die machen was sie wollen, und wenn das was du vorträgst nicht in deren Weltbild passt, dann gibt´s das eben einfach nicht, basta! Nach dem Motto:
Weil nicht sein kann was nicht sein darf.
- man kann vortragen was man will, es wird praktisch alles ignoriert,
- es werden offen gelegte Unklarheiten nicht überprüft,
- demgegenüber kann die andere Seite vortragen was sie will, ihr wird alles ungeprüft abgenommen,
- es werden Dinge erfunden oder zusammen gebastelt, die nie und nimmer zusammen gehören,
- es ist unmöglich gegen Seilschaften anzugehen und
- es werden sogar eigeninitiativ Sachen frei erfunden, nur um dem nervigen Antragsteller zu drohen oder wenigstens um ihn einzuschüchtern, so wie man es versucht hat, mir aus einer harmlosen eMail strafrechtlich relevantes Verhalten zu konstruieren.

Als ich September `89 mit meiner damals zukünftigen Ex in den Westen geflohen bin, hatte ich auch im Hinterkopf, dass es hier ein Rechtssystem gibt, wo die Menschen ohne Ansehen der Person alle gleich und korrekt nach rechtsstaatlichen Grundsätzen bei Gericht behandelt werden. Heute weiß ich, dass das sehr naiv von mir war. Wäre das damals meine einzige Motivation gewesen, hätte ich mir den Weg und die damit verbundenen Gefahren und Risiken sparen können.

Die Doku beschreibt es auf ernüchternde Weise, sobald einmal eine Meinung feststeht, wird der Rest so „passend gemacht“, dass es auch wirklich passt, egal wie schräg das Bild am Ende ausschaut.
Hier mal ein paar Zitate aus der Sendung, die ich bemerkenswert finde und die z.T. ziemlich genau das System beschreiben und auf meinen Fall übertragbar sind:
1. Ein System, das oft nicht nach Wahrheit sucht, gar nicht suchen will
„Wenn das Gericht denkt sie sind schuldig, dann sind sie schuldig. …der Rest wird konstruiert, es wird passend gemacht. … sie können nichts dagegen machen.“
Wer sowas hört, denkt natürlich zuerst an Strafverfahren – ich denke an meine Eigenbedarfskündigung, denn genau diese Haltung prägt seit Jahren auch meinen Fall:
Die Gegenseite erzählt ihre „Geschichten“ – egal wie offensichtlich konstruiert, widersprüchlich oder nachweisbar falsch sie sind – es wird einfach geglaubt. Und zwar ohne jede Prüfung. Umgekehrt wird alles, was ich vorgetragen oder belegt habe, entweder ignoriert, abgebügelt oder völlig verdreht interpretiert.
2. Schlampigkeit, Ignoranz, Zeitdruck – ein perfides Gemisch
Eine weitere Aussage aus der Doku lautet:
„Die häufigsten Gründe (Anm.: für Justizirrtümer) Erfolgsdruck, schlampige einseitige Ermittlungen, Ignoranz und Überforderung von Richtern, sowie mangelnde Ausbildung. Und: fehlende Selbstkritik.“
Wer in meinem Verfahren schon einmal einen gerichtlichen Beschluss gelesen hat, weiß, wie gut diese Aufzählung passt.
Ich habe mehrfach erleben müssen:
- wie einseitig Bewertungen von Aussagen ausfielen,
- wie widersprüchliche Angaben der Gegenseite nie hinterfragt werden,
- wie klare Unstimmigkeiten nicht geprüft werden,
- wie meine Hinweise, Belege und sogar objektive Widersprüche lapidar abgetan werden,
- wie stattdessen Konstrukte gebastelt werden, die keinerlei reale Grundlage haben,
Ein weiteres Zitat aus der Sendung bringt das dann auch auf den Punkt:
„… doch die Ermittler verdrehen noch viel mehr, wider besseres Wissen… frei erfundene Gründe …“
Genau so kann es auch im Zivilrecht passieren: Wenn die Tatsachen nicht passen, werden sie eben „passend“ gemacht.
3. Die „freie Beweiswürdigung“ – Freiheit für Richter, Ohnmacht für Betroffene
„Niemand schützt den Angeklagten davor, dass diese (Anm.: richterliche) Freiheit (Anm.: der Beweiswürdigung) willkürlich zu seinen Lasten verwendet wird.“
„Freie Beweiswürdigung“? Ich nenne das Willkür, was hier gelegentlich darunter verstanden wird. § 286 ZPO öffnet Richtern praktisch Tür und Tor jederzeit entscheiden zu können, was immer sie wollen.
Konkretes, besonders eklatantes Beispiel aus meinem Fall: Der Vermieter behauptet gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft, dass bereits 2019 Vorgespräche zu einer Versetzung ins Ausland stattgefunden haben sollen. Wäre dem so, wäre die Kündigung dann im August 2020 u.U. rechtmäßig gewesen. Ich bestreite aber, dass es solche Gespräche gegeben hat, da es nicht den leisesten Hinweis darauf gibt. Dem Gericht steht es nun frei diese Behauptung des Vermieters zu überprüfen (wenn sie schon von mir bestritten wird), oder sie ungeprüft als Tatsache anzusehen. Da man aber bei Gericht schon ahnt, dass eine solche Überprüfung wohl eher nicht so gut für den Vermieter ausgehen würde, laviert man sich um eine solche Überprüfung herum, indem man behauptet, dass das eh keine Rolle spielen würde, wann die Gespräche und die Versetzungsverfügung nun tatsächlich stattgefunden haben, bzw. diese ausgestellt wurde. Zitat: „Vor diesem Hintergrund scheidet ei-ne Täuschung des Antragstellers und damaligen Beklagten bei Abschluss des Vergleichs aus, unabhängig davon, ob die konkrete Versetzungsverfügung selber erst nach dem Kündigungs-schreiben vom 20.08.2020 getroffen worden ist und bzw. ob die dienstliche Versetzung zuvor nur mündlich im Wege dienstlichen Vorbereitungsgesprächen im Raum stand.“
Vor dieser Behauptung hat man kurzerhand noch den Tatbestand verdreht, indem sinngemäß behauptet wird, dass ich in meiner Anfechtung des Vergleichs die Versetzung an sich bestritten hätte. Das liest sich dann so, Zitat: „Nach seiner (Anm.: damit bin ich gemeint) damaligen Sicht der Dinge und wie er sich damals gegen das Klagebegehren verteidigte, war der Eigenbedarf des Klägers vorgetäuscht.“ Das ist aber für die Anfechtung des Vergleichs völlig unrelevant, da ich hierin die Versetzung nicht mehr bestritten habe, auch gar nicht mehr konnte, nachdem diese mit Schriftsatz vom 30.11.2021 (Eingang bei mir am 09.12.2021) nachgewisen wurde.
Ich habe die zeitliche Abfolge bestritten, und auch nur darauf kommt es bei der Anfechtung des Vergleichs an: War die Versetzung bei Ausspruch der Kündigung bereits hinreichend konkret kann die Kündigung rechtmäßig sein, wurde diese Versetzung aber erst nach der Kündigung eingeleitet, ist die Kündigung rechtswidrig. So einfach wär´s gewesen. Man hätte also nur prüfen brauchen, ob und wann diese angeblichen Vorgespräche tatsächlich stattgefunden haben. Wie gesagt, da man aber weiß, dass das für den Vermieter mit großer Wahrscheinlichkeit eher nach hinten losgegangen wäre, zündet man lieber jede Menge Nebelkerzen, um von der eigentlichen Prüfung abzulenken.
Ihr seht, auch im Zivilrecht gilt die freie Beweiswürdigung. Und wenn sie einmal willkürlich angewendet wird, bleibt sie praktisch unangreifbar.
In meinem Fall bedeutet das:
- Entscheidungen werden getroffen, ohne Tatsachen zu prüfen.
- Erklärungen der Gegenseite werden als „wahr“ angenommen, auch wenn sie offensichtlich nicht stimmen, oder zumindest mehr als fragwürdig erscheinen.
- Meine Tatsachen, Beweise oder logischen Widersprüche werden nicht einmal inhaltlich gewürdigt.
Die Doku brachte das dann auch damit auf den Punkt:
„…den Richtern erscheint alles plausibel … denn wie Richter im Rahmen der sogenannten freien Beweiswürdigung Zeugenaussagen und andere Beweise bewerten, wem sie glauben und wem nicht, das alles entscheiden allein sie.“
Es gibt keinen Schutz davor. Und das System sieht auch keinen vor. Klar, es gibt zwar oft auch die Möglichkeit das Ganze in der nächsten Instanz überprüfen zu lassen, nur wenn dort Alliierte der Vorinstanz sitzen bringt das alles nix.
4. Ein wesentlicher Punkt: Fehlende Selbstkritik
Für mich ein wesentlicher Satz aus der Doku:

„Selbstkritik ist sicherlich das, was Richter am wenigsten haben.“
Wie gesagt, wenn man praktisch mit Gott auf Du und Du steht, braucht man sowas natürlich nicht. Denn, nach ca. fünf Jahren Erfahrung muss ich leider sagen: Das entspricht exakt meiner Beobachtung.
Fehler eingestehen? Null! Beschlüsse korrigieren? Kommt nicht infrage!
Stattdessen heißt es in der Doku:
„Die Justiz verteidigt die Rechtskraft eines einmal gesprochenen Urteils wirklich mit Zähnen und Klauen.“
Selbst dann, wenn dieses Urteil auf fehlerhaften Annahmen beruht, oder auf Behauptungen, die bereits widerlegt sind, oder auf Konstruktionen, die logisch überhaupt nicht haltbar sind.
Hauptsache, der Beschluss bleibt bestehen.
Hauptsache, das System muss sich nicht korrigieren.
Das Wort „Fehlerkultur“ scheint dort unbekannt zu sein. So wie die Doku es auch zusammenfasst:
„Fehlerkultur gehört nicht zur Justiz … darauf ruhen sich natürlich alle möglichen Leute aus, die schlichtweg – man muss es so hart sagen – pfuschen.“
Genau so fühlt es sich an.

Die Gerichte (AG und LG) haben sich zudem in eine Situation gebracht, aus der sie praktisch von selbst nicht mehr rauskommen. Selbst wenn ein Richter den ganzen Schwindel erkennen wollte, wäre es jetzt unmöglich dies einzuräumen, denn dann wäre klar, dass zuvor nur Unsinn entschieden wurde und die Entscheidungsträger unfähig sind. Dieser Richter würde sich damit praktisch auf Lebzeiten den Unmut seiner Kollegen zuziehen – und wer macht das schon gern. Letztlich geht´s ja auch nur um einen Mieter und dessen Sohn, die ohnehin wieder eine Bleibe gefunden haben.
Bevor hier also zugegeben werden würde, dass das Ganze auf Lug und Trug basiert, geht vermutlich eher die Sonne im Westen auf.
5. Die Machtasymmetrie – und was sie im Alltag anrichtet
Die Doku zeigt Menschen, deren Leben durch Fehlentscheidungen zerstört wurde. Ich sitze zwar (noch) nicht im Gefängnis, aber ein Teil meines Lebens wurde dennoch zerstört. Man hat mir meine Wohnung, die ich mir so hübsch hergerichtet hatte, dass ich bis ans Ende meiner Tage dort hätte gemütlich wohnen können, einfach aus dem Nichts entzogen.
Auch im Zivilrecht gibt es also:
- existenzielle Eingriffe
- jahrelange Verfahren
- massive Kosten
- psychische Belastungen
- soziale Unsicherheit
Nur nennt man das Ganze dort nicht „Justizirrtum“, sondern einfach nur „Beschluss“ oder „Endurteil“.
Der Schaden besteht trotzdem.
Wenn man fünf Jahre lang weiß, dass die Gegenseite lügt, dass die Eigenbedarfsgeschichte konstruiert ist, dass Widersprüche offenliegen – und trotzdem wird alles ignoriert – dann fühlt man sich irgendwann tatsächlich ein Stück weit wie in einem Gefängnis: eingesperrt – ohnmächtig – ausgeliefert – bevormundet.
Glaubt mir, das ist keine Übertreibung, sondern mein Alltag der letzten Jahre.

Sicher, man kann mir natürlich vorwerfen, dass das ja letztlich alles meine Schuld ist, schließlich hätte ich ja auch klein bei geben und mich in mein Schicksal fügen können. Aber irgendwie kann ich das nicht, irgendwie fehlt mir da vielleicht das passende Gen. Ich war halt immer schon bisserl anders als andere Kinder, deshalb war wohl vermutlich mein Gitterbett auch oben vergittert. 😉
6. Und warum es so bleibt
Der letzte zentrale Satz der Doku:
„Und so wird es auch weiterhin zu Fehlurteilen kommen, und in den meisten Fällen dabei bleiben.“
Weil oft keine Verantwortung übernommen wird.
Weil oft Fehler nicht eingestanden werden.
Weil Korrekturen als persönlicher Angriff gesehen werden.
Weil das System sich primär selbst schützt, weniger nicht die Betroffenen.
Und weil es praktisch unmöglich ist, Richter für ihr Fehlverhalten zur Verantwortung zu ziehen:
„Richter wegen Rechtsbeugung zu belangen ist … praktisch unmöglich.“
Damit ist alles gesagt.
Fazit: Diese Doku ist nicht nur ein Blick in ein spezielles Rechtssystem – sondern ein Spiegel dessen.
„Unschuldig hinter Gittern“ zeigt sicher für die Betroffenen besonders schmerzliche Fälle aus dem Strafrecht. Aber die zugrunde liegenden Mechanismen
- willkürliche Beweiswürdigung
- fehlende Prüfungen
- einseitige Wahrnehmung
- pfuschende Ermittlungen
- fehlende Selbstkritik
- absolute Unangreifbarkeit von Entscheidungen
können einen überall im Rechtssystem treffen. Es geht also nicht nur um Strafrecht. Es geht um ein strukturelle Probleme in Teilen der deutschen Justiz, denen ich mich ausgeliefert sehe.
Wie sagte der Alte Fritz im Dezember 1779 an 3 „Räthe“ eines Kammergerichts mit heftigen Worten:
»Sie müßten wissen,« sagte er, »daß der geringste Bauer und Bettler ebensowohl ein Mensch sei, wie der König. Ein Justiz-Collegium,« fügte er hinzu, »das Ungerechtigkeiten ausübt, ist gefährlicher und schlimmer wie eine Diebsbande: vor der kann man sich schützen; aber vor Schelmen, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihre übeln Passionen auszuführen, vor denen kann sich kein Mensch hüten; die sind ärger wie die größten Spitzbuben, die in der Welt sind, und meritiren (verdienen) eine doppelte Bestrafung.« und an d‘ Alembert weiter»… denn ein ungerechter Richter ist ärger als ein Straßenräuber.«
Dem ist wohl nix mehr hinzuzufügen.
