Juli 2021

Ende Juli 2021 kam dann die Räumungsklage ins Haus. Darin wird zunächst der Inhalt der Kündigung kurz wider gegeben.
Zitat aus der Räumungsklage:
Datum: 27. Juli 2021
Quelle: Räumungsklage
Zitat: „[…] Die Tochter … wurde am … volljährig. Die Tochter des Klägers möchte einen eigenen Hausstand begründen. Ein Verweilen im elterlichen Haus über die Volljährigkeit hinaus ist weder von dem Kläger, noch dessen Ehefrau, noch der Tochter … gewünscht. … Im Übrigen gehen insoweit die Interessen des Klägers, seiner Tochter im Rahmen seiner ihn treffenden Unterhaltsver-pflichtung dieser gegenüber ordnungsgemäßen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, den et-waigen Interessen des Beklagten an einem Verbleib in der Wohnung vor. … Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Tochter … auf ihr Abitur vorbereiten muss. Hierfür sind entsprechende Vorbereitungszeiten bzw. ungehinderte Lernzei-ten erforderlich.“.
🟡 Kommentar: Das sind im Wesentlichen 4 Aussagen, die zu hinterfragen sind:
1. Die Tochter möchte ihren eigenen Hausstand begründen:
Wie bereits zuvor ausgeführt, genügt es als Kündigungsgrund nicht, wenn die Bedarfsperson lediglich den Wunsch äußert in die begehrte Wohnung einziehen zu wollen. Es müssen weitere Bedarfsmerkmale hinzutreten und diese nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden. So wie bspw. eine Schwangerschaft, oder ein Arbeitsplatzwechsel, oder Konflikte oder nachhaltige Veränderungen im Elternhaus. Nichts dergleichen wurde auch nur ansatzweise vorgetragen, geschweige denn bewiesen. Seiner sekundären Darlegungslast ist der Vermieter hier meines Erachtens nach nicht ausreichend nachgekommen.
2. Weiteres Zusammeleben nicht gewünscht:
Als tragfähiges Bedarfsmerkmal soll hier offenbar geltend gemacht, dass weder Eltern noch Tochter ein weiteres Zusammenleben im elterlichen Haushalt wünschen. Ein derart pauschaler Wunsch genügt vermutlich ebenfalls nicht den Anforderungen an eine Eigenbedarfskündigung. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des BGH (u. a. Urteil vom 29.03.2017 – VIII ZR 44/16) ist der Vermieter vielmehr verpflichtet, nachvollziehbar darzulegen, warum gerade die konkrete Wohnung benötigt wird, und weshalb ein Verbleib im bisherigen Wohnumfeld unzumutbar oder ungewünscht ist.

Solche plausiblen Erläuterungen oder gar Nachweise fehlen hier völlig. Die bloße Behauptung eines „Wunsches nach Eigenständigkeit“ ersetzt keinen konkreten Wohnbedarf. Zumal die Familie – soweit bekannt – über ausreichend Wohnraum im eigenen Haus verfügt, und kein Hinweis auf eine untragbare Familiensituation, räumliche Enge oder wirtschaftliche Notlage vorliegt, die einen Auszug zwingend erscheinen lassen würden. Die Tochter ist eine weltoffene, unternehmungslustige und engagierte junge Frau. Es erscheint wenig lebensnah, dass so ein junger Mensch für den Start in sein eigenes Leben die Idylle des Allgäus – weitab von Familie, Freunden und Bekannten – dem pulsierenden Leben und den Möglichkeiten größerer Städte vorzieht, um allein in eine Mietwohnung im ländlichen Raum zu ziehen.
Nachweise, oder wenigstens nachvollziehbare Erläuterungen dafür, warum man nicht wünscht, dass die Tochter noch weiter im Haus verweilt, bzw. die Tochter unbedingt das Elternhaus kurz nach der Volljährigkeit verlassen will und gerade in der von mir gemieteten Wohnung ihren eigenen Hausstand begründen will, wurden keine erbracht. Auch die Gerichte haben sich nicht dafür interessiert.
3. Unterhaltsverpflichtungen der Eltern:
Ist es wirklich so, dass Eltern ihren Kindern, die ausziehen wollen obwohl zuhause ausreichend Wohnraum zur Verfügung steht, noch verpflichtet wären, ihren Kindern Wohnraum extern zu besorgen? Dass Eltern grundsätzlich verpflichtet sind, ihre Kinder zu unterstützen, ist unbestritten – das ergibt sich schon aus unserem Menschsein und natürlich auch unseren Gesetzen, s. § 1601 BGB. Daraus folgt aber nicht automatisch, dass man seiner volljährigen Tochter eine separate Wohnung verschaffen muss, wenn im Elternhaus selbst genug Platz zur Verfügung steht. Genau das war hier ja der Fall: Die Familie wohnt in einem großen Haus auf mehreren Etagen, wo die Kinder eigene, abgetrennte Wohnbereiche hatten.
Widersprüchlich wirkt daher auch, dass einerseits betont wird, man wolle sich möglichst schnell voneinander trennen – andererseits aber mit der Unterhaltspflicht argumentiert wird, um der Tochter eine eigene Wohnung zu verschaffen. Stellt sich die Frage: Was machen z. B. Eltern, denen keine Eigentumswohnung zur Verfügung steht? Oder was passiert, wenn der Sohn volljährig wird und seinen eigenen Hausstand begründen will? Wird der Tochter dann wegen Eigenbedarf wieder gekündigt? Für mich klingt das alles wenig überzeugend und eher nach einem Vorwand bei dem die Tochter vorgeschoben wurde, als nach einem echten Wohnbedarf. Solche Geschichten kennt man ja zuhauf, wo die Tochter angeblich ihren eigenen Hausstand begründen will, und es dann, wenn es soweit ist, heißt: sie hat sich´s doch anders überlegt. Bömermann hat das erst unlängst im Magazin Royal (ab Minute 28:00) thematisiert. So ungefähr ist es bei mir auch gelaufen.
4. Abiturvorbereitung der Tochter:
Ein weiteres Argument für den angeblichen Eigenbedarf sollte sein, dass sich die Tochter ungestört auf ihr Abitur vorbereiten müsse. Das ist natürlich ein wichtiges Lebensereignis – aber rechtfertigt das wirklich die Kündigung eines langjährigen Mietverhältnisses? Aus meiner Sicht: eher nicht.
Man kann sich an vielen Orten auf das Abitur vorbereiten – dafür braucht es nicht zwingend eine eigene Wohnung. Die allermeisten Abiturienten dürften sich im Elternhaus auf ihr Abitur vorbereiten. Zumal sich durch den geplanten Umzug der Weg zu ihrer Schule sowohl zeitlich also auch räumlich deutlich verlängert hätte. Auch stellt sich die Frage: Wie lange dauert eine solche „Vorbereitungszeit“ eigentlich? Die Kündigung wurde zum 31.05.2021 ausgesprochen, das Abitur sollte im Sommer 2022 abgelegt werden. Das klingt eher nach einer längerfristigen Entmietung für einen kurzfristigen Zweck. Es darf also bezweifelt werden, ob ein derart temporäres Ereignis den Entzug der Lebensgrundlage einer Kleinstfamilie überragen würde.
Das Bisherige habe ich alleinstehend kommentiert, also so, als gäbe es nur den Wunsch der Tochter ihren eigenen Hausstand zu begründen; ohne die Versetzung des Vaters. Nach meiner Überzeugung hätte das als Kündigungsgrund so vor einem fairen und unparteiischen Gericht keinen Bestand gehabt.
Ein tatsächlicher Wohnbedarf für die Tochter könnte mithin allenfalls aus der Versetzung des Vaters ins Ausland entstehen – also aus der damit zusammenhängenden Aufgabe der bisherigen Familienwohnung. In der Räumungsklage wurde dazu erstmals konkreter Stellung genommen. Ein Nachweis dafür blieb jedoch auch hier aus – obwohl es zur sekundären Darlegungslast des Vermieters gehört, den Mieter frühzeitig und vollständig über die maßgeblichen Gründe der Kündigung zu informieren (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2019 – VIII ZR 167/17, Rn. 19).
Es wurde lediglich behauptet, der Kläger sei versetzt worden. Auch eine neue Adresse im Ausland wurde genannt. Ehefrau und Sohn würden mit ins Ausland verziehen, weshalb die Wohnung in Deutschland aufgegeben werde. Da die inzwischen volljährige Tochter nicht mitzieht, entstehe dadurch für sie ein Bedarf an meiner Wohnung.
Rein rechtlich kann eine solche Konstellation durchaus einen Eigenbedarf begründen – vorausgesetzt, sie ist korrekt abgelaufen. Doch genau das bezweifle ich.
Richtig wäre: Erst wenn eine Versetzung konkret vorliegt und damit ein Wohnbedarf für eine bestimmte Person entsteht, darf eine Kündigung ausgesprochen werden. Und der Vermieter sollte dann auch einen Nachweis – hier etwa in Form einer offiziellen Versetzungsverfügung – vorlegen, die ihm ja Mitte Dezember 2020 vorgelegen haben muss, denn sie datiert vom 10.12.2020. Warum diese Verfügung dann nicht wenigstens mit der Räumungsklage vorgelegt wurde, bleibt erst mal offen…
Problematisch wird es jedoch, wenn die Versetzung nicht angeordnet, sondern auf eigenen Wunsch beantragt wurde, und die Genehmigung erst Monate nach der Kündigung erfolgt ist. Dass man sich am Ende einer beruflichen Laufbahn nochmal für ein paar Jahre ins sonnige und friedliche Ausland am Meer versetzen lässt, erscheint jetzt auch nicht außergewöhnlich weltfremd. Also ich hätte es gemacht, wenn sich mir die Gelegenheit ergeben und die äußeren Umstände gepasst hätten.
Der Vermieter behauptet zwar, es habe bereits 2019 Gespräche mit Vorgesetzten zu einer Versetzung gegeben. Aber einen Nachweis oder konkrete Personen, die das bestätigen könnten, hat er nie genannt. Musste er auch nicht, die Gerichte begnügten sich mit seinen Behauptungen.
Deshalb stellt sich die Frage: Wurde die Versetzung vielleicht erst nach der Kündigung angestoßen, um nachträglich einen rechtssicheren Kündigungsgrund zu schaffen? Das wäre rechtlich unzulässig. Denn Eigenbedarf muss bei Kündigung konkret vorhanden oder zumindest absehbar sein – nicht erst Monate später geschaffen werden.
Die Klageschrift selbst bestand im Wesentlichen aus Dingen, die mit dem eigentlichen Kündigungsgrund nur wenig zu tun hatten: Sie wiederholt weite Teile des Kündigungsschreibens, enthält aber kaum neue Informationen. Insbesondere fehlten konkrete Belege, wie etwa eine Versetzungsverfügung oder nachvollziehbare Erklärungen, warum die Tochter ausgerechnet in meiner Wohnung ihren eigenen Hausstand gründen sollte.
Stattdessen liegt der Fokus der Klageschrift auffällig stark auf der Widerlegung meines Widerspruchs gegen die Kündigung. Das wirkt so, als sei es dem Kläger – also dem Vermieter – vor allem darum gegangen, meine Einwände zu entkräften, anstatt den behaupteten Eigenbedarf überzeugend darzulegen und mit belastbaren Fakten zu untermauern.
Aus meiner Sicht klingt das alles mehr als konstruiert und wenig bis gar nicht plausibel, bin aber gern bereit darüber zu diskutieren. Die zentrale Frage lautet daher: Reicht es wirklich, den Bedarf einfach nur zu behaupten, ohne ihn belegen zu können? Natürlich sehe ich das als Betroffener vielleicht anders als ein Außenstehender. Wer möchte, kann mir hierzu jederzeit seine Meinung oder einen Kommentar im Gästebuch hinterlassen. Würde mich mal interessieren, wie man das von außen sieht.
Im 3. Akt: Der Räumungsvergleich könnt ihr dann lesen, wie es zur mündlichen Verhandlung kam, was unmittelbar davor geschah und warum ich einem Vergleich letztlich zugestimmt habe.