22.12.2021

Nachdem ich am 24.09.2021 der Räumungsklage widersprochen habe, geht´s jetzt vor Gericht. Am 15.11.2021 gibt das Gericht den Termin zur mündlichen Verhandlung für den 22.12.2021 bekannt (kurz vor Weihnachten 😠) und bewilligt mir gleichzeitig Prozesskostenhilfe. Aufgrund von Urlaub und Arbeitsüberlastung hatte sich das Ganze etwas verschoben.
Zuvor hatte ich Ende September 2021 in meiner Klageerwiderung noch den Bedarf für die Tochter bestritten und meine Härtefallsituation dargelegt:
Auszug aus Klageerwiderung:
Datum: 24. September 2021
Quelle: Schriftsatz meines Anwalts
Zitatbeispiele: „[…] Es wird jedoch bestritten, dass der Kläger die streitgegenständliche Wohnung für seine Tochter … …, geboren …, tatsächlich benötigt. … Ich lebe allein mit Kind(11), das in … zur Schule geht (Gymnasium 6. Klasse). Angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen, hinsichtlich räumlicher Nähe zur Schule, Größe, Lage und Kosten ist bei der aktuell angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt nach § 574 Abs. 2 BGB nicht vorhanden und stellt somit eine eigene zusätzliche Härtesituation dar.“
In einem weiteren Schriftsatz an das Gericht wurde von mir, bzw. meinem Anwalt, am 30.11.2021 dann auch die Versetzung des Vermieters bestritten:
Auszug aus Stellungnahme:
Datum: 30. November 2021
Quelle: Stellungnahme meines Anwalts
Zitat: „[…] … wird auch mit Nichtwissen bestritten, dass die Personalmaßnahme tatsächlich, wie vorgetragen, durchgeführt worden ist.“,
da hierzu bislang keinerlei Nachweise vom Vermieter erbracht worden waren.
🟡 Kommentar: Dieser Schriftsatz überschnitt sich mit einem Schriftsatz des Klagevertreters vom selben Tag. Hiermit legte er dann erstmalig die Versetzungsverfügung des Vermieters als Nachweis für dessen Versetzung als Anlage K2 vor, also ca. 15 Monate nach der Kündigung. K1 war das Kündigungsschreiben, das mit der Räumungsklage eingereicht wurde. Dabei ist zunächst allseits – also weder mir noch dem Gericht, noch meinem Anwalt – nicht aufgefallen, dass diese Versetzungsverfügung das Datum 10.12.2020 trägt, also knapp 4 Monate nach der Kündigung ausgestellt wurde – was später noch große Bedeutung erlangen sollte.

Warum niemandem das Datum auffiel? Es war schlicht verdeckt: Ein schwarzer Filzstiftstrich zog sich ziemlich genau über das relevante Datum, s. rechts. Besonders merkwürdig wird das, wenn man bedenkt, dass dem Vermieter diese Verfügung – die ab 01.01.2021 wirkte – somit bereits im Dezember 2020 vorgelegen haben muss, diese aber erst im November 2021 mit einem verdeckten Datum eingereicht wird. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. 😉
Warum also wurde dieses zentrale Dokument erst Monate später bei Gericht eingereicht – obwohl doch Vermieter laut höchstrichterlicher Rechtsprechung verpflichtet sind, im Falle einer Kündigung dem Mieter frühestmöglich Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen (vgl. BGH, Urt. v. 22.05.2019, Az. VIII ZR 167/17, Rn. 19)? Demnach wäre der frühestmögliche Zeitpunkt also der Dezember 2020 gewesen, um mir die Versetzung nachzuweisen.
Und warum wurde die handschriftliche Anlagennummerierung ausgerechnet über das Datum gesetzt, obwohl doch im oberen Bereich des Dokuments genügend freier Platz gewesen wäre, um eine Anlagennummerierung anzubringen, ohne wichtige Details zu verdecken?
Und warum wurde der untere Querstrich der Ziffer „2“ so ungewöhnlich lang gezogen?
Oder warum weist der obere Bogen am Ende einen Knick von rechts oben nach links unten auf, obwohl man doch üblicherweise die „2“ in einem durchgehenden Bogen nach unten zieht? Für mich sieht das so aus, als wäre diese Ziffer sehr gezielt an genau dieser Stelle platziert worden.
Vielleicht ist das alles aber auch nur ein Zufall. Im Kontext der ohnehin schwach begründeten Kündigung und der Ereignisse vor der Kündigung, fällt es mir aber doch recht schwer, daran zu glauben. Jahre später räumte der Klagevertreter dann zumindest ein, dass die Anlagennummerierung ungünstig platziert ist:
Auszug aus der Erwiderung auf meine Anfechtung des Räumungsvergleichs:
Datum: 13. März 2025
Quelle: Schreiben des Anwalts des Vermieters
Zitat: „[…] Wenngleich nach Sich-tung der Anlage K 2 die Bezeichnung tatsächlich hätte mittiger angebracht werden können. Die Beschriftung ging jedoch erkennbar auch durch das Datum.“
🟡 Kommentar: Das wirkt auf mich wie eine typische „Salamitaktik“: man räumt immer nur das ein, was nicht mehr zu bestreiten ist. Ich selbst schenkte dem Datum auch zunächst keine Aufmerksamkeit, nicht zuletzt deswegen, da ich in der Zeit vor der Verhandlung – im Angesicht des Verlustes meiner Wohnung – auch hochgradig nervös und angespannt war. Mit dem Erhalt der Versetzungsverfügung am 09.12.2021 nahm ich an, dass damit die Versetzung des Vermieters belegt sei und sich daraus dann der Eigenbedarf für die Tochter ableitete. Nur deswegen, weil ich davon ausging, dass ein von einem Anwalt bei Gericht vorgelegtes Dokument auch tatsächlich authetisch ist – also beweist, was es beweisen soll – stimmte ich letztlich dem Vergleich zu. Wäre mir das Datum hier schon bewusst gewesen, hätte ich dem Vergleich niemals zugestimmt, denn dann wäre mir klar gewesen, dass die Versetzung erst nach der Kündigung geschaffen wurde. Mit der Folge, dass die Kündigung unwirksam wäre. Es scheint also nicht ganz weltfremd, dass es im Interesse des Vermieters gewesen sein könnte, dass das Datum möglichst nicht sofort ins Auge fällt.
Nach der Verhandlung habe ich mich dann auch nicht weiter mit dem Fall beschäftigt, wichtiger war mir, das Weihnachtsfest für meinen Sohn vorzubereiten und mich danach auf die Wohnungssuche zu konzentrieren. Das Datum der Versetzungsverfügung, und dass das ja fast 4 Monate nach der Kündigung liegt, viel mir dann auch erst viel später durch einen Zufall auf, ich erklär´ euch kurz wie:
Da ein vorgetäuschter Eigenbedarf i. S. v. §263 Abs. I und II StGB auch strafrechtlich relevant sein kann, hatte ich den Vermieter auch am 17.06.2023 wegen Betrug angezeigt. Die dazu bei der Staatsanwaltschaft geführte Akte konnte ich am 28.03.2024 einsehen. Darin erklärt der Vermieter, dass ihm mit Datum 10.12.2020 seine Versetzung bekannt gegeben wurde. „Wie bitte, 10.12.2020?“, dachte ich sofort, „das ist doch fast 4 Monate nach(!) der Kündigung“. Woraufhin ich mir zuhause das Datum auf dieser Verfügung nochmal genauer anschaute. Durch vielfache Vergrößerung bestätigte sich dann der 10.12.2020.
Fazit: Am 09.12.2021 erhielt ich das Dokument als pdf per eMail von meinem Anwalt. Es war Vorweihnachtszeit und der Tag der mündlichen Verhandlung, an dem ich vermutlich meine Wohnung verlieren würde, rückte immer näher. Ich sah nur die Versetzungsverfügung, die mir vermeintlich bewies, dass der Vermieter versetzt wurde und mir somit klar wurde, dass es schwer werden würde, dagegen vor Gericht etwas vorzubringen. Und so versuchte ich mich auf das Unvermeidliche so gut es eben ging einzustellen und stimmte dann in der Verhandlung auch einem Räumungsvergleich zu.
Nachdem mir das verdeckte Datum auf der Versetzungsverfügung am 28.03.2024 offenbar wurde, fechte ich aktuell (2025) den Vergleich nach §§123 Abs. 1 und 124 Abs. 1 und 2 BGB an. Wie genau, erkläre ich aber später.
Dann die mündliche Verhandlung: Anwesend war die Richterin, der gegnerische Anwalt, mein Anwalt und ich. Die Tochter des Vermieters war als Zeugin geladen und wartete vor dem Gerichtssaal. Der Vermieter hat sich entschuldigen lassen, da er ja weit weg versetzt wurde. An viel kann ich mich nicht mehr erinnern, da ich ja wahnsinnig angespannt war. Die Richterin, so schien es, war von Anfang an auf einen Vergleich aus. Ich fühlte mich von ihr auch dahingehend unter Druck gesetzt. So erinnere ich mich, dass sie mich mit ernstem Blick fragte, ob ich mir wirklich ein langwieriges Verfahren mit Gutachten, den damit verbundenen Kosten und ungewissem Ausgang antun will, was ich natürlich nicht wollte. Auch mein Anwalt hat mir eher abgeraten. Fun Fact am Rande: Ich erinnerte sie daran, dass sie mir ja PKH bewilligt hat, ich somit ein eventuelles Gutachten sowieso nicht bezahlen müsste 😉. Ein Gutachten zu meiner psychischen Situation stand dann aber plötzlich nicht mehr zur Debatte.
Heute weiß ich, dass es ein Fehler war, vorschnell einem Vergleich zuzustimmen. Zweifellos hat der Druck, dem ich mich durch das Gericht und den gegnerischen Anwalt ausgesetzt gesehen habe, seine Wirkung nicht verfehlt und ließ mir kaum Raum für eine überlegte rationale Entscheidung.
Meine Anspannung eskalierte dann auch in einem Nervenzusammenbruch, weswegen die Verhandlung für ca. eine Viertelstunde unterbrochen werden musste, da mir nun endgültig klar war, dass ich meine Wohnung verloren habe. Man gewährte mir zwar noch eine 14-tägige Widerspruchsfrist für den Vergleich, die hatte aber keinen Wert, denn zwischen Weihnachten und Hl. 3 Könige (06.01.) bekommt man keinen Rechtsrat von einem externen Anwalt, und ich selber sah mich nicht in der Lage die richtige Entscheidung zu treffen. Und so ließ ich die Widerspruchsfrist verstreichen, und versuchte mich in mein Schicksal zu fügen. „Vielleicht findet man ja doch eine vergleichbare Wohnung“, redete ich mir ein, was sich aber auch nach einem Jahr intensiver Suche nicht erfüllte.
Merkwürdigerweise wurde die Tochter zu ihren Absichten gar nicht mehr befragt, obwohl sich die Richterin, in Vorbereitung der Verhandlung, etliche Fragen an sie handschriftlich notiert hatte, um die Ernsthaftigkeit ihres Nutzungswunsches zu ergründen – was ich aus der Akte, die ich Anfang 2025 einsehen konnte, weiß.
Hieraus bestätigte sich dann auch, dass die Richterin auf einen Vergleich aus war. Am Ende ihrer handschriftlichen Notizen fand sich das hier: Was wohl: „DruckVergleich!“ heißen soll. Sie hatte sich also offenbar von Anfang an einen Vergleich vorgenommen. Die gesamten Aufzeichnungen liegen mir in Kopie vor. Ich fürchte, ich hatte sowieso von Anfang an keine Chance in irgendeiner Form meine Wohnung zu retten. Ich denke, es stand von Anfang an fest, wie das ausgehen sollte.
Meine Bitte – mir wenigstens 500,- € für die Wohnwerterhöhung die ich mit Parkettfußboden, neuen Steckdosen, neuem Fliesenschild in der Küche und diversen Maurerarbeiten in die Wohnung hinein investiert habe, und wovon der Vermieter letztlich profitierte – wurde aber auch brüsk abgewiesen. Nach einem heftigen Wortgefecht mit dem Anwalt des Vermieters konnte ich dann wenigstens noch raus handeln, dass ich die Wohnung erst zum 31.12.2022 übergeben musste, was ich dann auch durch Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Hausverwalters tat, da ich keine Anweisungen vom Vermieter bekommen hatte, an wen ich die Wohnung zu übergeben hätte, da er ja im Ausland war.
Im nächsten Abschnitt (4. Akt: Letzter Versuch vor dem Auszug) schildere ich, wie ich versucht habe, den Vermieter doch noch umzustimmen, und wir wohnen bleiben können. Oder er mir aber wenigstens noch paar Euro für die Sachen, die ich in seine Wohnung investiert habe und nicht mitnehmen konnte, zu erstatten.
Auf dem Zeitstrahl kann man schon sehen, was als nächstes passiert.
Hier noch eine kurze Zusammenfassung, was bisher geschah:
Die Wohnung, die ich 2011 angemietet hatte, wurde mir unmittelbar nach Beginn eines Streits um eine massiv zu meinem Nachteil geänderte Hausordnung, wegen Eigenbedarf für die Tochter des Vermieters gekündigt. Obwohl dieser Eigenbedarf von Anfang an fragwürdig erscheint, wird die Kündigung wirksam. Vor Gericht offenbaren sich zunehmend Widersprüche: Ein Vermerk der Richterin wirft Fragen auf, Beweisdokumente wirken nachträglich verändert, und entscheidende Informationen werden viel zu spät vorgelegt. Am Ende wird ein Vergleich geschlossen – unter Druck, unter falschen Voraussetzungen, und ohne dass die strittigen Punkte je wirklich aufgeklärt wurden.